Tausend Tonnen Toffees von Mecklenburgs Bonbon-König (07.02.18)

Oliver Schindler ist Herr eines Schlaraffenlandes: In seinen Firmen Toffee Tec und Sweet Tec werden jeden Tag Millionen Karamellen und Kaubonbons hergestellt und in alle Welt geschickt. Die OZ zeigt, wie die Leckereien entstehen.

Boizenburg. Der Duft von Karamell mischt sich mit dem Aroma geschmolzener Schokolade. Von den Fließbändern regnet es Abertausende Bonbons, verpackt in Glitzerpapier. Würden die Maschinen hier nicht so laut rattern, man könnte sich glatt ins Schlaraffenland träumen. Die süße Welt aber ist real, in Südwestmecklenburg zu finden und äußerst produktiv: In Boizenburg stellt Toffee Tec jeden Tag 3,7 Millionen Karamellen her. Herr der Plombenzieher-Berge ist Oliver Schindler. Der Süßwarenfabrikant liefert jene Ware, nach der sich Toffeefans rund um den Globus die Finger lecken.

Naschen ist Pflicht

Damit der Nachschub nie abreißt, geht’s im Werk heiß her. In riesigen Edelstahlkesseln köcheln Zucker, Glucosesirup, Milch und Sahne bei 120 Grad Celsius ein. Nach gut 20 Minuten ist aus den Zutaten eine Toffeemasse entstanden, erklärt Betriebsleiter Martin Zanker (43). Mundgerechte Bissen ließen sich daraus aber noch nicht formen. „Sie ist zu warm.“ Über ein Rohrsystem gelangt die Masse auf gefettete Walzen und wird auf ihnen abgekühlt. Dabei entsteht ein Karamellteppich, der anschließend gefaltet und in Kegelrollern zu Strängen geformt wird. Diese werden in Stücke geschnitten und in Papier eingeschlagen. 1000 Bonbons pro Minute schafft die Wickelmaschine. Plötzlich hakt’s, irgendwo blockiert etwas. Vor dem Schneider auf Produktionslinie eins kringelt sich eine Karamellschlange. Während ein Mitarbeiter sich darum bemüht, dass die Maschine alsbald wieder anläuft, beißt sich der Chef durch: Oliver Schindler stibitzt sich ein kleines Stück Karamell vom Band und vernascht es. „Hmm, lecker.

Erbe einer Bonbon-Dynastie geht eigene Wege

Schindler ist 52, hochgewachsen, sportlich. Man sieht es seiner Statur nicht an, aber Süßes liegt dem Manager im Blut.„Ich bin mit dem Bonbon im Mund aufgewachsen“, sagt er und lacht. Schindler entstammt der Karlsruher Süßwaren-Dynastie Ragolds, die mit Bonbon-Marken wie Rachengold und Gletschereis bekannt wurde. Weil er sich mit seinem Vater überwarf, schied Oliver Schindler aus dem Konzern aus. „Der Generationswechsel hat bei uns nicht funktioniert“, sagt er rückblickend. Am süßen Geschäft bleibt Schindler kleben: Er sucht sich einen Platz für seine eigene Bonbonfabrik und findet ihn in Südwestmecklenburg – auch, weil ihm Subventionen die Ansiedlung versüßen. 2004 geht Toffee Tec in Betrieb, ein paar Jahre später und zwei Straßen weiter folgt Sweet Tec. In dem Werk produzieren heute rund 420 Mitarbeiter tonnenweise Kaubonbons, Lutscher und Dropse.

Sahnestückchen in der Sauna

Toffee Tec kommt aktuell mit 70 Leuten aus. Das Gros der Produktion läuft maschinell. Für die härtesten Brocken in Schindlers Sortiment ist jedoch Handarbeit nötig: Um Spiral-Toffees herzustellen, legen Mitarbeiter je eine Platte weißer und brauner Bonbonmasse übereinander und rollen sie auf. Im Kegelroller wird aus der Karamellsäule ein dünner Strang, von dem dann Scheibchen abgeschnitten werden. Fertig sind die Plompenzieher. Nebenan trägt ein Förderband tausende Butter-Sahne-Toffees durch eine fast menschenleere Halle. Martin Zanker schnappt sich ein Stück aus der Bonbonparade und kostet. „Schmeckt gut, aber die Konsistenz stimmt noch nicht.“ Der Fleckie – so heißt der gehaltvolle Toffee-Tec-Bestseller – ist zäh. „Er soll außen kristallin sein und noch einen flüssigen Kern haben, dann ist er perfekt“, erklärt der Betriebsleiter. Dafür müssen die Fleckies ab in die Sauna: Fünf Tage lang reifen sie bei 45 Grad und 55 Prozent Luftfeuchte. Zuvor werden sie in Papier eingeschlagen. 450 Stück pro Minute schafft die Einpackmaschine. Für Papiernachschub sorgt Sylvia Wendt. Dem Duft an ihrem Arbeitsplatz kann sie schwer widerstehen. „Wenn hier Schokotoffees vorbeikommen, wird’s kritisch“, lacht die 54-Jährige. Zugreifen ist erlaubt. Mehr noch: „Naschen ist bei uns Pflicht“, sagt Oliver Schindler. Damit diese „Qualitätskontrolle“ nicht zu sehr auf die Hüften geht, hat er ein 800 Quadratmeter großes Fitnessstudio für seine Schichtarbeiter eingerichtet.

Vanille für Araber, Minzgeschmack für Briten

Die Toffees aus Mecklenburg sind weltweit gefragt, doch nicht jede Nation nascht gleich. In England seien Karamellen mit Minzcremekern beliebt, sagt Oliver Schindler. Araber würden Vanilletoffees im Ein-Kilo-Beutel bevorzugen, US-Amerikaner am liebsten zum Bonbon im Schokomantel greifen. Das Geschäft mit Weichkaramellen ist hart, der Markt umkämpft und der Verbraucher zunehmend figurbewusst. Deshalb tüfteln acht Toffee-Tec-Entwickler unablässig an neuen Kreationen, mit denen sich Nascher vielleicht verführen lassen. Ganz frisch ins Sortiment haben es Kokoskaramellen geschafft, bei deren Herstellung statt Sahne Kokosmilch verwendet wird. „Da können auch Veganer zugreifen“, sagt Oliver Schindler. An süßen Ideen mangelt’s nie im Reich von Mecklenburgs Bonbon-König.

 

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